Sammelplatz, Parkhaus, Talstation und Hotel
Frank Berger, 13. März 2022
Mit der massiven Zunahme des motorisierten Individualverkehrs und der prekären Parkplatzsituation in der Heidelberger Altstadt in den 1960er Jahren galt es, für die Stadt endlich ausreichend Parkraum für Automobile zu schaffen und insbesondere den Besucher:innen des Heidelberger Schlosses einen komfortablen und wettergeschützten Sammelpunkt für den Aufstieg zum Schloss und Ausgangspunkt in die Altstadt zu bieten. Der Bau ist ein großartiges Beispiel für die Architektur und Ästhetik der 1970er Jahre.
Mit der Notwendigkeit eines Neubaus der Talstation der historischen Bergbahn bot sich die Gelegenheit, mehrere Funktionen in einem Bau in unmittelbarer Nähe zum Rathaus, Schloss und der Altstadt zu vereinen – Talstation, Parkhaus und Hotel. Die ersten Überlegungen und Vorschläge wurden im Gemeinderat bereits im Jahr 1961 vorgestellt. Die Diskussionen und das Abwägen des Für und Wider eines solchen Vorhabens in der Altstadt dauerten an. Im Jahr 1968 erfolgte der Baubeschluss für ein multifunktional ausgestattetes Parkhaus und die Baugenehmigung für den Entwurf der Architektengemeinschaft Dipl.-Ingenieure Hauss und Richter aus Heidelberg. Baubeginn war im September 1969 und bereits zwei Jahre später, am 28. August 1971, nahm die Stadtwerke Heidelberg GmbH das Parkhaus offiziell in Betrieb.
Talstation der Bergbahn – Erdgeschoss und Eingang
Offen geht es im Erdgeschoss weit in das Gebäude hinein. Hier ist der Zugangsbereich zu den Aufzügen und der überdachte, windgeschützte Sammel- und Wartebereich für alle, die sich für die Altstadt verabreden oder mit der Bergbahn zum Heidelberger Schloss oder weiter auf den Königstuhl fahren möchten.
Die Fläche im Erdgeschoss vor dem Eingang zur Kasse in der Zwingerstraße ist großzügig tief und weiträumig offen gestaltet. Hier befindet sich der Durchgang zur Einstiegstreppe und den Wagen der Bergbahn, die einen beachtlichen Teil der rund 1,8 Millionen Besucher*innen des Schlosses pro Jahr befördert. Das sind fast 5.000 Besucher*innen pro Tag, die seit 1890 meist komfortabel mit einer der ältesten Standseilbahnen Deutschlands – der Heidelberger Bergbahn – den Weg zur historischen Hauptattraktion Heidelbergs, dem Schloss nehmen.
Die Lage der historischen Talstation der Bergbahn gab die Disposition und in Teilen auch die Gestaltung der Rückseite des in den Hang gebauten Erdgeschosses vor. Der Haltebereich der Wagen der Bergbahn befindet sich seit ihrem Bau im unteren Teil zweier Tunnelröhren unter der Neuen Schlossstraße und führt unter den benachbarten Verbindungshäusern hinauf zur Haltestelle Schloss. Den Architekt*innen ist es gelungen, die durch die beiden Tunnelmundlöcher der Bergbahntunnelröhren unveränderliche Ortsvorgabe geschickt in das Gebäude P12 einzubinden. Sichtbar wird dies auch heute noch im 2. Obergeschoss, denn hier sind durch die offen gelassene Rückwand die gemauerten Bögen der beiden Tunnelöffnungen der Bergbahn aus dem Jahr 1890 zu sehen.
Parkhaus – große (Bau-) Ingenieurskunst
Das Parkhaus P12 bietet heute insgesamt 258 Stellplätze auf sechs Ebenen mit hellerleuchteten und eingangsnahen Parkplätzen, Ladesäulen für E-Fahrzeuge sowie einigen XXL-Parkplätzen.
Steil fällt das Gelände vom Schlossberg ins Neckartal und dem Rand der Altstadt ab. Die Fassade des Gebäudes des P12 zeigt die leicht versetzten Geschossdecken der von außen nur zu erahnenden Parkdecks, die entgegen der Hangneigung zur Stadt hin ansteigen. Der Hotelbau mit der großen Dachterrasse ist von der Straße aus nicht zu sehen.
Die Architekten haben sich angesichts der gestellten Parkhausaufgabe für den Typ einer Split-Level-Garage mit innenliegender Wendelrampe mit Gegenverkehr entschieden (Kleinmanns 2011, S. 50 ff.).
Das sowohl in Längsrichtung als auch in Querrichtung stark ansteigende Gelände, die geringe Größe des Grundstücks und die bestehende Verkehrsführung waren Herausforderungen für die Planer*innen, denn sie wollten möglichst viel Abstellfläche für Automobile schaffen. Die Lösung war, die Geschossdecken sowohl in Längsrichtung als auch in Querrichtung ansteigend zu versetzen und über eine breite Fahrbahn um den Gebäudekern zu verbinden.
Nach Einfahrt in das Parkhaus im 4. Obergeschoss geht es immer linksherum zwei weitere Geschosse nach oben. Über eine Durchfahrt in der Gebäudemitte werden die unter der Einfahrt liegenden Parkdecks erschlossen. Hat man die Abfahrt gefunden, kann man nun rechtsherum drei Geschosse nach unten fahren. Zur Ausfahrt geht es dann nach Wenden des Fahrzeuges jeweils den umgekehrten Weg auf der breiten Fahrbahn zurück.
Die schrägen Fahrrampen vollenden pro Geschoss einen 360 Grad Vollkreis. Die Parkflächen befinden sich auf fünf Geschossen um die Fahrwege angeordnet. Geparkt wird mit der Front oder dem Heck lotrecht an der Innenseite der Fassaden und in den durch die Gebäudestatik vorgegebenen und durch die Stützen und Mauern des Kernes gestalteten Nischen und Flächen.
Hotel – über den Dächern
Über den Parkdecks befindet sich das Hotel Garni „Hotel am Schloss“ mit 20 Doppelzimmern und 4 Einzelzimmern. Ein kleines, von den Zimmern umschlossenes Atrium dient als Frühstücksraum, und von der Hotelterrasse hat man einen unvergleichlichen Blick auf das Schloss. Auch die Zimmer haben teilweise einen eigenen Balkon und bieten den Gästen wahlweise Schloss- oder Altstadtblick.
Schon in den Anfangszeiten des Automobils plante man beim Bau der ersten Parkgaragen Hotelzimmer in Nähe des abgestellten Fahrzeugs ein, meist ebenfalls im Dachgeschoss. Die waren allerdings für die angestellten Chauffeure gedacht, welche für die Automobilbesitzer*innen immer abrufbereit in der Nähe ihres Fahrzeuges zu sein hatten.
Wege – Aufzüge und Treppen
Zentral in der Gebäudemitte befinden sich zwei Personenaufzüge, die das gesamte Gebäude erschließen – vom Straßenniveau des Einganges zur Bergbahn über die fünf Parkdecks bis zum 7. Obergeschoss, dem Penthouse mit dem Hotel Garni und dessen Dachterrasse.
Bis auf die Nord/West-Ecke, befinden sich an den Gebäudeecken Treppenhäuser oder Treppenanlagen. Von den Treppenabsätzen und den teilweise offen gestalteten stadtseitigen Fahrwegen hat man einen hervorragenden Blick auf die Dächer der Altstadtbauten und in die Innenhöfe der benachbarten Gebäude.
Literatur
Kleinmanns, Joachim: Parkhäuser. Architekturgeschichte einer ungeliebten Notwendigkeit. Marburg 2011.