Die Bergbahn: Transportmittel – Tourismushighlight

Carolin Gärtner, 13. März 2022

Bevor das Parkhaus P12 in den 1960ern errichtet wurde, befand sich die Einstiegsstation der Bergbahn am Kornmarkt auf einem leeren Platz; Mauerreste des Platzes sind heute immer noch sichtbar. Die heutige Multifunktionalität des Gebäudes – Parkhaus, Bergbahnstation und Hotel – zeichnet das P12 unter den zahlreichen Heidelberger Parkhäusern aus und kann damit auch im internationalen Vergleich der Bauaufgabe Parkhaus mithalten. Ebenerdig auf der Nordwestseite, ist der Eingangsbereich beziehungsweise Ticketschalter der Bergbahn, welcher 2015 neu gestaltet wurde. So stehen sich heutzutage Leuchtakzente, farbige Glas- und Stahlelemente (überwiegend in den Grundfarben gelb, rot und blau) und entstehungszeitliche, alte Betonelemente gegenüber. Neu trifft auf Alt – symbolisch für die Bergbahn, welche sich zwischen Tradition und Moderne bewegt.

Offener Eingang des P12 und Zugang zur Bergbahn bzw. Ticketschalter. © IEK Steffen Fuchs, 2022

Historie 

Die Heidelberger Bergbahn blickt auf eine lange Historie ab den 1890er Jahren und stellt heute wohl die älteste und – bis auf die jüngere Stuttgarter Waldfriedhofbahn – einzige in ihrer teils bauzeitlichen Technik erhaltene und funktionstüchtige Standseilbahn in Baden-Württemberg dar. Für die Technikgeschichte Südwestdeutschlands ist sie daher bedeutsam.

Sie wird als technische und touristische Pionierleistung, als Deutschlands längste (1,5 km) Bergbahn mit nostalgischem Ambiente geschätzt. Den unteren Streckenabschnitt bis zur Molkenkur teilen sich zwei komplett modernisierte Bahnen auf einer Schiene im Pendelverkehr, auf dem oberen Streckenabschnitt bis zum Königstuhl fährt eine technisch modernisierte über 100 Jahre alte Holzbahn.

Eckdaten zur Bergbahn:

Stationen: Kornmarkt (113,2 m ü. d. M.); Schloss (192,0 m ü. d. M.); Molkenkur – Umsteigestation (289,3 m ü. d. M.); Königsstuhl (549,8 m ü. d. M.)

Gefälle/Steigung: ca. 38 Grad

Länge: untere Seilbahn 500 m, Gesamtlänge 1,5 km

Tunnel: 110 m lang

Geschwindigkeit: untere Bahn 5 m/s, obere Bahn 2 m/s

Fahrgäste: 1,8 Millionen jährlich

Unterer Streckenabschnitt an der Station Schloss.
© IEK Steffen Fuchs, 2024

Während die Bergbahn der unteren Strecke (Kornmarkt – Schloss – Molkenkur) komplett erneuert und modernisiert und mit einem Panoramadeck ausgestattet ist, ist die Bergbahn der oberen Strecke (Molkenkur – Königsstuhl) nach wie vor in ihrem historischen Holzgewand unterwegs. Die Bergbahn zählt ca. 1,8 Millionen Fahrgäste jährlich und führt auf den zwei Etappen im 10 beziehungsweise 20 Minutentakt mit einer Steigung von ca. 38 Grad 365 Tage im Jahr hinauf zum höchsten Punkt auf insgesamt 549,8 m ü.d.M.. Vom Königsstuhl aus wird man mit einer atemberaubenden Aussicht über die Stadt und die Rheinebene hinweg, bei klarer Sicht bis hinüber in die Pfalz zum Donnersberg sowie zum Hunsrück und Taunus, belohnt. Doch auch bei Nebel wirkt der Ort mystisch.

Historische Bergbahn an der Station Königsstuhl, seitliche Ansicht.
©Carolin Gärtner, 2022

Im Jahr 2004 wurde die Bergbahn mit einem Eintrag ins Denkmalbuch des Landes Baden-Württemberg gewürdigt und am 30. März 2015 das 125. Jubiläum gefeiert. Touristische Anbindungen an den Stationen befinden sich am Kornmarkt mit Altstadt, Restaurants, Kirchen, Geschäfte und Gasthäuser; am Schloss mit der Schlossruine aus dem 13. Jahrhundert (Schlosskombiticket mit Kooperation des Schlosses), dem Zwerg Perkeo und Gasthäusern; an der Molkenkur mit zahlreichen Wanderwegen beispielsweise auch zum Schloss, oder zur „Himmelsleiter“, eine Treppe aus dem Jahr 1844 mit 1.200 Stufen vom Schloss bis zum Königsstuhl, einem Café, Gasthäusern, Molkenkurweg und Mauerresten eines 800 Jahre alten Burggrabens; und am Königsstuhl mit zahlreichen Wanderwegen, Königsstuhl-Walking-Parcours, „Via Naturae“, Walderlebnispfad, Falknerei, Märchenparadies, begehbarem Maschinenraum der historischen Bergbahn und Ausstellungsraum der Geschichte der Heidelberger Straßen – und Bergbahnen (HSB).

Die fünf Bauphasen

1. Bauphase (1888–90): Stationen Kornmarkt, Schloss und Molkekur

Historische Fotografie vom Tunnelbau der Bergbahn 1988/89, Sicht auf Holzgerüst und Pferde welche die Lasten ziehen.
©HSB, Foto-Studio Gärtner Heidelberg

Im Jahr 1873 gestaltete der Schweizer Ingenieur Nikolaus Riggenbach (1817–99) Pläne für eine Zahnradbahn an Ort und Stelle des Berges, wo Esel Touristen und Einheimische zur Molkenkur brachten. Es war eine Kombination von Zahnrad- und Drahtseilsystem mit Wasserbelastantrieb, eine der ersten in Deutschland überhaupt. Dies war eine individuelle Entwicklung unter anderem von Riggenbach, die im Jahr 1888 von den Gebrüdern Leferenz als Begründer der HSB (Heidelberger Straßen- und Bergbahn) umgesetzt wurde. Bergeinschnitte waren beim Bau unerlässlich. Die Arbeiten beinhalteten Gleisbau und Mauerarbeiten, einen Bau von acht Unterführungen und einen 110 Meter langen Tunnel sowie die Einrichtung von den drei Stationen Kornmarkt, Schloss und Molkenkur. Die entsprechenden Baumaterialien wie Holzbalken, Stahlschienen und eiserne Querschellen wurden von Pferdewagen nach oben, sowie Erdmassen nach unten transportiert. Es folgte der Betrieb von zwei Wagen mit einer Personenlastkapazität von 50 Personen und einer Streckengeschwindigkeit von zwei Metern pro Sekunde (ca. sieben Kilometer pro Stunde).

2. Bauphase (1905–07): Königsstuhl – Elektrifizierung

15 Jahre später erfolgte die 2. Bauphase der Bergbahn, zu welcher vor allem die Erweiterung um die obere Teilstrecke zum Königstuhl zählte. Die neue Standseilbahn wurde hierfür elektrifiziert. Diese veränderte Antriebstechnik gab auch Anlass die untere Teilstrecke ebenfalls zu modifizieren. Nun steuerte ein Maschinist, welcher im ständigen Kontakt mit den Wagenbegleitern der Bergbahn, per Knopfdruck die Geschwindigkeit der Bahn. Im Zuge der technischen Erneuerungen (zum Beispiel auch von neuen Bremseinrichtungen)erfolgte auch eine Überdachung der Wagenhallen, eine Modernisierung der Stationsgebäude auf der Molkenkur (mit Wohnungen für die Maschinisten) und auf dem Königstuhl.

3. Bauphase (1961–62): Modernisierung des Streckenabschnitts Kornmarkt und Molkekur 

1961–62 wurde die untere Bergbahn durch eine neue Bahn ersetzt und war somit für zwei Jahre geschlossen: Unter Beibehalten des Bahnverlaufs und der Tunnel wurden die Schienen neu verlegt. Die Wagen der unteren Bahn wurden durch größere, vollautomatisch gesteuerte ausgetauscht. Die Maschinenanlage wurde erneuert sowie neue Stationsgebäude im Kornmarkt und am Schloss in Sicht- und Waschbeton errichtet. Im April 1962 erfolgte die Wiedereröffnung mit nun einer ausschließlich als Standseilbahn angelegten Anlage. Durch die Modernisierung der Maschinenanlage erreichte die „Molkenkurbahn“ eine erhöhte Geschwindigkeit von ca. vier bis fünf Metern pro Sekunde. Im Vergleich zur alten Bergbahn zeigt sie einen erheblichen technischen Fortschritt innerhalb von 50 Jahren. Dagegen ist die Stadtseilbahn des oberen Abschnitts in ihrem Originalbestand von 1907 erhalten geblieben und ist bis heute in Betrieb.

Ein Wagen der Molkenkur-Bahn auf Talfahrt verlässt die Bergstation.
© HSB, Foto-Studio Gärtner Heidelberg

4. Bauphase (1997): Modernisierungsarbeiten an beiden Bergbahnstrecken

Im Jahr 1997 wurden weitere Modernisierungsarbeiten an beiden Bergbahnstrecken durchgeführt. Dabei wurden die oftmals vereisten Oberleitungen entfernt und die Wagen nun an jeder Station mit Strom versorgt; hier greift ein Stromabnehmer die Energie ab und speichert sie. Neue Bremsanlagen bewerkstelligten ein sanfteres Einfahren und Abbremsen in den Stationen. Außerdem wurden Schwellen erneuert, Kabel frisch verlegt sowie Sender und Empfänger, Türsteuerung, Bedienpult und bessere Heizkörper installiert. 

5. Bauphase (ca. 2002–05): weitere Sanierung und Umbau und Modernisierung

2004–05 folgten Sanierung und Umbau der Heidelberger Bergbahn. Dies beinhaltete eine Kompletterneuerung des elektromechanischen Teils der Anlage, welche dem heutigen Stand der Technik angepasst wurde. Es kam zu Teilabrissen der Stationen Kornmarkt und Schloss, wohingegen die unter Denkmalschutz stehenden Stationen Molkenkur und Königstuhl renoviert wurden. Die behindertengerechten Umbauten der unteren Bergbahnstrecke bis zur Station Molkenkur erfolgten; bei der historischen Strecke sind Treppen zu bewältigen. Wieder einmal wurden die beiden Wagen der unteren Stationen ersetzt, die mittlerweile 100 Jahre alten Wagons der oberen Bergbahn werden in der Schweiz alle 10 Jahre generalüberholt. 

Weitere Informationen über die Bergbahn finden Sie unter anderem über die Webseite der HSB.


Literatur

  • Alojado Lieder-Archiv: Alt Heidelberg, Stand: März 2022 <https://www.lieder-archiv.de/alt_heidelberg-notenblatt_502110.html> (13.03.2022).
  • Heidelberger Bergbahnen: Besuchen, Stand: März 2022 <https://www.heidelberg.de/hd/HD/Besuchen.html> (13.03.2022)
  • Heidelberger Bergbahnen: Home, Stand: März 2022 <https://www.bergbahn-heidelberg.de> (13.03.2022).
  • Kleinmanns, Joachim: Parkhäuser. Architekturgeschichte einer ungeliebten Notwendigkeit. Marburg 2011.
  • Landesdenkmalpflege Baden-Württemberg: Bergbahn Heidelberg Altstadt, Stand: März 2022 <https://www.bauforschung-bw.de/objekt/id/271313129008/weitere-seite/2/bergbahn-in-heidelberg-altstadt/> (13.03.2022).
  • MRN-News.de: Heidelberg – Parkhaus P12 Kornmarkt/ Schloss öffnet wieder, Stand: März 2022 <https://www.mrn-news.de/2015/11/13/heidelberg-parkhaus-p12-kornmarkt-schloss-oeffnet-wieder-225645/> (13.03.2022).
  • Stadtwerke Heidelberg: Pressemitteilungen, Stand: März 2022 <https://www.swhd.de/de/SWH/Presse/Meldungslisten-SWH/Meldungsliste-SWH- 4/Historische-Dokumente-uebergeben.html> (13.03.2022).