Das P12 und die Geschichte der Parkhäuser
Naima Bommertz, 13. März 2022
Unsere kleine Geschichte der Parkhäuser beginnt am Ende des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung der ersten Personenkraftwagen (Pkw) mit Benzinmotor in Europa und Nordamerika. Anfangs sahen diese neuen Verkehrsmittel wie motorisierte Kutschen aus. Das Design der ersten Autos drückte noch keine eigenständigen Formen aus. Auch die ersten Abstellplätze für den ruhenden Verkehr hatten noch keine bauspezifischen Formen. Oft wurden ältere Gebäude als Abstellraum für die Pkws genutzt oder man griff auf bekannte Architekturformen zu.
Zum Beispiel entwarf um 1907 der Architekt Ernest Flagg ein fabrikähnliches Gebäude in New York City, das als Garage für den Automobile Club of America diente. Das reich verzierte zweite Stockwerk orientiert sich an klassischen Elementen der europäischen Architekturgeschichte. Wenn man sich heute Fotografien dieses Gebäudes ansieht, würde man wohl kaum an eine Garage denken und noch weniger dieses mit dem P12 vergleichen.


Einer der ersten Versuche, eine ästhetische und moderne Bauanlage, die spezifisch für Autos gedacht wurde, zu gestalten, war die Garage Ponthieu in Paris. Der Bau wurde vom Architekt Auguste Perret 1906 aus Beton und Glas, zwei damals hochmodernen Baumaterialien, hergestellt. Die Struktur des Baus ist am Äußeren ablesbar und sein Zweck ist direkt erfassbar. Vom Prinzip her nähern wir uns schon den architektonischen Vorstellungen der sechziger Jahre, die zum Bau des P12 führen werden: Funktionalität und Ästhetik. Zum Beispiel markiert das große ästhetische Mittelfenster die Stelle im Gebäude, wo der moderne Lift sich befindet, der die Autos ins gewünschte Stockwerk transportiert. Ästhetik und Funktionalität sind hier vereint.

Im Gegensatz zum P12 und zu den heutigen Parkhäusern, waren die ersten Garagen für wenige privilegierte Autosbesitzer:innen gedacht, denn zu dieser Zeit war das Auto noch eine Luxusware. So erfüllten diese frühen Bauten auch andere luxuriöse Zwecke: In der New Yorker Garage des Automobile Club of America wurde beispielsweise eigens ein Raum zum Grillen vorgesehen, in dem Automobil-Haus Reiner des Architekts Karl Bauer aus dem gleichen Jahr sogar ein Schwimmbad zur Nutzung der Besitzer:innen. Die Multifunktionalität des P12, das Hotel, Restaurant und Bergbahn beherbergt, ist also aus dieser historischen Perspektive nicht außergewöhnlich. Anders jedoch als zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Angebote im P12 allgemein zugänglich.
Garage oder Parkhaus?
Die Zahl der Autobesitzer:innen stieg in den ersten Jahrzehnten schnell an, so dass bereits in der Zwischenkriegszeit sich eine Platzmangel zum Abstellen von Autos zeigte. Es entstehen zwei Hauptarten von Bauanlagen und zwei Begriffe.
Die Garage, vom Französischen „garer” („abstellen”), bietet Dauerabstellplätze, zum Beispiel nachtsüber, und ist oft eine privatwirtschaftliche Mietgarage.
Das Parkhaus bietet im Gegensatz meist eine große Zahl an Kurzzeitabstellplätzen, während der Arbeitszeit oder für kurze Einkäufe zum Beispiel. Der Begriff setzt sich ab den 1930er Jahren in der deutschen Sprache durch.
Tief-, Flach- und Hochbauten für Viele
Aufgrund des steigenden Bedarfs an Abstellplätzen, entstanden verschiedene Typen von Garagen, die in der Nachkriegszeit ihre endgültige Form annahmen und heute noch relevant sind.
Die Tiefgarage/ das Tiefparkhaus ist ein unterirdischer Bau, der besonders nützlich ist, wenn das Bauen in der Höhe wegen ästhetischer oder technischer Gründe nicht möglich ist, die Heidelberger Altstadt weist zum Beispiel viele unterirdische Parkhäuser auf. Der sich überirdisch ergebende Platz kann dann ganz unterschiedlich genutzt werden.
Die Flachbauten werden nicht höher als ein Stockwerk gebaut. Der Neubau von flachen Reihengaragen mit Boxen für jedes Auto war in Deutschland während der Zwischenkriegszeit, neben der Umnutzung von älteren Gebäuden, die einfachste und billigste Art und Weise eine größere Zahl von Autos unterzubringen. Heute sieht man kaum noch Flachgaragen oder flache Parkhäuser, denn um mehr Platz zu schaffen wird direkt in die Höhe gebaut.
Hochgaragen und Parkhochhäuser sind mehrgeschossige Gebäude, die mit der steigenden Zahl gemeldeter Pkws zunehmen. Hier können auch entsprechend viele Abstellflächen geschaffen werden, so dass sie neben den Tiefgaragen die häufigste Form sind. Das P12 ist diesem Bautyp zuzuschreiben.
Die mehrgeschossigen Parkhäuser
Von den 1920er bis zu den 1950er und 1960er Jahren erfolgt die Entwicklung der mehrgeschossigen Gebäude, sei es Garagen oder Parkhäusern, nach industriellen und seriellen Prinzipien, die dazu dienen schnell und günstig zu bauen und die bis heute anhalten. Baumateriale wie Stahl und Glas erlauben eine Massenproduktion an standardisierten Teilen. Die Kant-Garage, die 1930 in Berlin gebaut wurde, zählt zu den bekanntesten deutschen Beispielen einer industriellen Architektur in der Zwischenkriegszeit. Die Struktur des Baus ist aus Stahlbeton, ein typisches Material des Massivbaus, und von einer Vorhangfassade aus Glasscheiben überzogen.

Man erkennt schon die typische klassische Form der heutigen Parkhäuser mit Rampen zwischen den Stockwerken.

Tatsächlich ist die Kant-Garage die älteste Hochgarage Europas mit doppelgängiger Wendelrampe, die heute noch erhalten ist. Der Einfluss der Kant-Garage und der industriellen und seriellen Bauweise auf die Architektur der nächsten Jahrzehnte lässt sich am Beispiel des P12 nachweisen: Wendelrampe und Stahlbau gehören natürlich zur Struktur des Heidelberger Parkhauses. Auch die eingehängten Waschbetonplatten der Fassade sind Merkmale einer seriellen Architektur. Die Ähnlichkeiten mit der Kant-Garage enden aber hier. Auch wenn das P12 sich der industriellen Architektur einordnen lässt, wurden Baumerkmale der Architektur der Altstadt Heidelberg übernommen, was bei der Kant-Garage nicht der Fall ist.
Heute sieht die Garage verwahrlost aus. Sollte ein Gebäude wie die Kant-Garage unter Denkmalschutz gesetzt werden? Können solche Zwecksgebäuden überhaupt als schön empfunden werden?


In den 1950er und 1960er Jahren wird das Auto zum Hauptverkehrsmittel das bei jeder Stadtplanung miteinberechnet wird. Die Strukturen und Fassaden werden immer zweckorientierter und lassen sich immer wieder in Deutschland und ganz Europa beobachten.
In diesem Kontext wurde das P12 in Heidelberg gebaut. Im Gegensatz zu anderen deutschen Parkhäusern dieser Zeit wurde darauf geachtet, dass das Gebäude sich einigermaßen an der Ästhetik der Altstadt anpasst. Bei der Errichtung des Parkhauses Schmiedestraße in Lübeck wurden keine solche Maßnahmen getroffen. 1964 wird das Parkhaus mitten in der Altstadt Lübecks gebaut, an der Stelle an welcher historische Gebäude im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Der Kontrast zwischen dem modernen Zweckbau und den historischen Häusern ist daher sehr deutlich.



Das Parkhaus Schmiedestraße wurde schnell als „Krebsgeschwür” in ihrer Umgebung kritisiert (Fischer, 1975, S.12) und „heute als ‘Webfehler’ in der historischen Stadtstruktur empfunden” (Brix, 1975, S.67). Die kritische und abwertende Rezeption dieses Parkhauses ist symptomatisch für den schlechten Ruf der Architektur dieser Jahrzehnte (1950er bis 1970er).
Heute wird auf die Umgebung der Parkhäuser mehr geacht und verschiedene Parkhäuser werden sogar vegetalisiert, indem Pflanzen auf die Fassade angelegt werden, um die Lebensqualität der Städte zu verbessern. In Mannheim wurde die Vorderseite des Parkhauses N2 komplett mit Pflanzen überdeckt. Damit ist dieses Parkhaus ein tolles Beispiel für das Potenzial dieser Gebäude sich an wechselnden gesellschaftlichen Vorlieben und Interessen anzupassen.

In der Hinsicht eine bessere Anpassung der Parkhäuser an ihrer Umgebung vorzusehen, scheint das P12 daher seiner Zeit voraus gewesen zu sein, auch wenn es den Prinzipien der industriellen und seriellen Architektur des 20. Jahrhunderts entspricht.
Literatur
- Hartmann, René Micha: Architektur für Automobile. Hochgaragen und Parkhäuser in Deutschland. Eine Auto[Mobil]-Vision im 20. Jahrhundert. Berlin 2016.
- Fischer, Manfred Frithjof u.a.: Architektur und Denkmalpflege. Neue Architektur in historischer Umgebung. München 1975.
- Brix, Michael (Hrg.): Lübeck – die Altstadt als Denkmal. Zerstörung, Wiederaufbau, Gefahren, Sanierung. Gräfelfing 1975.
- https://www.pavillon-arsenal.com/fr/signe/12013-un-siecle-dimmeubles-pour-automobiles.html
- www.beyondthegildedage.com
- https://en.wikipedia.org/wiki/Automobile_Club_of_America
- https://de.wikipedia.org/wiki/Parkhaus_Schmiedestra%C3%9Fe_(L%C3%BCbeck)
- https://de.wikipedia.org/wiki/Kant-Garagen